Interview mit Kerstin Weng
Jasmin
19. Apr. 2021
Liebe Kerstin, stell Dich doch kurz mal vor. Wer bist Du und was machst Du?
Ich bin Mutter einer kleinen Tochter (bald 2 Jahre) und Chefredakteurin von InStyle und allen Line Extensions, wie z.B. InStyle Mini & Me. Das ist im Großen und Ganzen auch das, was mein Leben gerade maßgeblich bestimmt. Andere Dinge, die mir persönlich immer wichtig waren, zum Beispiel Reisen, sind ja gerade nicht drin.
Wie sieht Dein Mama- und Arbeitsalltag aus? Stehst Du manchmal vor Vereinbarkeitsherausforderungen und wenn ja, wie versuchst Du, sie zu lösen?
Ich kann zum Glück flexibel arbeiten, was den Alltag als Mutter für mich erleichtert. Mein Tag läuft meist so ab: Ungefähr 9:30 Uhr Rechner an und los geht es. Um ca. 17:30 Uhr Rechner aus. Dann fahre ich zum Vater meiner Tochter (wir wohnen nicht zusammen), der gerade noch Elternzeit hat. Ich spiele mit meiner Tochter, wir essen zu Abend und dann bringe ich sie ins Bett. Sobald sie eingeschlafen ist, arbeite ich nochmal eine Runde.
Als ich noch gestillt habe, war es etwas stressiger. Da habe ich in meinem Büro auf Vorrat abgepumpt, die Milch in den Kühlschrank gepackt und alles abends per Kühltasche zu meinem Partner gefahren. Meetings oder Telefonkonferenzen musste ich dann um die Abpumpzeit herum planen. Eine Frage der Organisation – und natürlich der Unterstützung seitens des Arbeitgebers.
Erfährst Du denn Verständnis und Unterstützung von Deinen KollegInnen hinsichtlich Deiner Mutterrolle und die damit verbundenen, unvorhersehbaren Ereignisse (z.B. Krankheit des Kindes)?
Absolut! Wir haben viele Mütter im Verlag. Verständnis für alles, was das Leben als Mutter so mit sich bringt, ist in unserem Team zum Glück selbstverständlich.
Wir von Parentime möchten Eltern auch als Team stärken. Was braucht es für ein gutes Elternteam aus Deiner Sicht? Wie organisierst Du Dich mit Deinem Partner?
Mein Partner hat Elternzeit genommen die ersten zwei Jahre, ich habe nach dem Mutterschutz wieder Vollzeit zu arbeiten angefangen. Damit er mal durchschnaufen kann, übernehme ich die Nächte und die Wochenenden. Letztes Jahr hatte ich mir phasenweise meine Urlaubstage so genommen, dass ich eine 4-Tage-Woche hatte und mein Partner dadurch 3 Tage seine Sachen erledigen konnte. Das funktioniert super so, ich hatte nie das Gefühl etwas zu verpassen und er nie das Gefühl, mit dem Kind allein gelassen zu werden.
Dass wir nicht zusammenwohnen, hilft dabei, dass er auch ungestörte Zeit für sich haben kann, denn die Wochenenden verbringe ich mit Ronja bei mir daheim. Ab Mai arbeitet mein Partner wieder und ich mache dann 4 Monate Elternzeit, bis zum Kitastart im September.
Wie wichtig ist Dir ME TIME? Nimmst Du Dir regelmäßig Auszeiten und wenn ja, was tust Du dann?
Me.. was? Ganz ehrlich, die gibt es gerade nicht. Meine Me Time ist Mama Time. Ich arbeite Vollzeit und meine Tochter ist noch relativ klein. Ich genieße jede Sekunde mit ihr. Und ich merke, dass mich Zeit mit ihr viel mehr entspannt und runterholt als Netflix & Co es könnten. Aber fragt gern nochmal nach, wenn die Trotzphase richtig losgeht …
Eltern sein und Paar bleiben ist nicht einfach für viele Eltern. Was unternehmt ihr, um euch als Paar nicht zu verlieren?
Durch unsere Wohnkonstellation haben wir es geschafft, nicht im gemeinsamen Alltag zu versinken. Alle paar Wochen kommen die Großeltern für ein paar Tage zu Besuch, dann unternehmen wir auch mal alleine was.
Was hast Du in Deiner Rolle als Mutter am meisten über Dich und das Leben gelernt?
Dass man als Mutter andere Eigenschaften hat. Ich bin eigentlich ein eher ungeduldiger Mensch. Aber nicht gegenüber meiner Tochter. Wenn sie zehn Minuten lang immer wieder ein Steinchen aufhebt, fallenlässt, aufhebt, fallenlässt usw., gucke ich ihr seelenruhig zu.
Ich habe außerdem gelernt im Hier und Jetzt zu leben, nicht mehr alles meilenweit vorauszuplanen und alles so anzunehmen, wie es kommt.
Haben sich Deine Prioritäten und Werte mit Deiner Mutterrolle verändert? Wenn ja, wie?
Nein, eigentlich nicht. Eher erweitert. Ich schätze Zeit als kostbare Ressource nun noch mehr.
Was würdest Du werdenden Eltern, die zum ersten Mal ein Kind erwarten, als Rat für den Start ins Familienleben geben?
Dass man dem anderen vertrauen soll. Als unsere Tochter wenige Monate alt war und ich wieder arbeiten ging, hatten mein Partner und ich eine hitzige Diskussion. Ich weiß gar nicht mehr, was das konkrete Thema war. Aber es ging darum, dass er etwas anders machte, als ich es getan hätte.
Im Laufe dieser Diskussion beschlossen wir dann: Jeder von uns macht einfach das, was er für das Richtige hält. Ich habe ja nicht ein Kind bekommen mit jemandem, den ich für einen Vollidioten halte. Heißt: Ich muss es ihm einfach zutrauen, dass er es gut macht, selbst wenn ich es anders machen würde. Das ist für mich ein sehr wichtiges Mindset.
Oft höre ich, dass Mütter den Vätern gewisse Eigenschaften absprechen, nach dem Motto „Das kann er halt nicht“. Ich möchte das natürlich nicht be- und schon gar nicht verurteilen, aber eventuell würde der Vater schon können, wenn er nur dürfte bzw. die Verantwortung und das Vertrauen dazu übertragen bekommen würde.
Welcher Leitsatz bestimmt Dein Leben?
Ich habe keinen Leitsatz, eher ein Idealbild. Und zwar das eines genutzten Lebens. Ich versuche so zu leben, dass ich nicht irgendwann sagen muss: „Ach blöd jetzt, schon vorbei? Das und jenes zu tun wäre aber noch schön gewesen.“
Der verstorbene TV-Journalist Roger Willemsen hat es mal sehr schön auf den Punkt gebracht: „Man kann das Leben nicht verlängern, aber man kann es verdichten.“
Liebe Kerstin, herzlichen Dank für das sehr inspirierende Interview.