Interview mit unserer Mobbingexpertin Katja
Jasmin
24. Mai 2021
Liebe Katja, Du bist auf Expertin für das Thema Mobbing. Wie bist Du zu Deinem Coachingthema gekommen?
Als Mutter von 3 Kindern war ich ab Kitabeginn meiner 1. Tochter ehrenamtlich in vielen verschiedenen Schulgremien tätig. Die Zusammenarbeit mit Eltern und Kindern hat mich schon immer sehr begeistert. Die Arbeit mit Menschen, ob jung oder alt, erfüllt mich einfach. Lange Zeit habe ich eine wertvolle Arbeit gesucht, für die ich wirklich brenne und irgendwann kam das Thema auf mich zu.
Mein Wunsch, mit Kindern, Jugendlichen und Familien zu arbeiten, und sie für die Herausforderungen des Lebens zu stärken, wurde erfüllt.
Ab welchem Alter kann eigentlich Mobbing beginnen?
In der Kita gibt es bereits zwischen Kindern Konflikte, die zur sozialen Entwicklung von Kindern dazugehören. Die meisten Kinder im Alter von 3-6 Jahren planen ihre Handlungen jedoch noch nicht systematisch.
Mobbing tritt meist ab dem Grundschulalter auf. Aber auch im Kindergarten entstehen bereits die Anfänge und Ursachen für das spätere Mobbing. Das hat eine Bertelsmannstudie von 2019 ergeben. Hier entwickeln sich bereits die späteren Täter und Opfer durch bestimmte Verhaltensweisen. Ich würde sogar sagen, dass Mobbing bereits im Elternhaus beginnt, wenn wir nicht achtsam mit unseren Kindern umgehen.
Warum entsteht Mobbing aus Deiner Sicht?
Jedes Kind lernt, dass auf bestimmte Bedürfnisse gewisse Handlungen von anderen Menschen erfolgen. Dadurch lernen sie, ihre Erfahrungen so anzuwenden, dass sie möglichst zu ihrem Ziel der Bedürfnisstillung kommen. Je nachdem welche Strategie funktioniert, wird diese gespeichert und beim nächsten Mal angewendet.
Erfahren Kleinkinder Gewalt, werden sie diese oft im Gegenzug auch bei anderen Mitmenschen anwenden oder sie ziehen sich komplett zurück.
Kinder, die schon im Kleindkindalter Drohungen erleben, z.B. durch Sätze wie „Wenn du jetzt nicht Deine Zähne putzt, dann gibt es morgen kein Fernsehen", wenden genau diese Sätze auch in ihrer Interaktion mit Freunden/innen etc. an. „Wenn Du nicht mehr mit mir spielst, dann bin ich nicht mehr Dein Freund/in." Kinder lernen also, dass sie mit Drohungen und Erpressungen Macht über andere ausüben können.
Deswegen gilt es vor allem für die Eltern, sich selbst vorbildhaft zu verhalten. Die Techniken der Gewaltfreien Kommunikation können dabei eine große Hilfe sein.
Durch welche Merkmale zeichnen sich denn Mobber und Gemobbte aus?
Mobber sprechen Drohungen und Erpressungen aus, lachen, schubsen, schlagen und ignorieren andere Kinder, lügen, beschuldigen andere. Sie suchen negative Aufmerksamkeit, setzen andere Kinder unter Druck. Ihnen fehlt es oft an Selbstbewusstsein.
Gemobbte sind eher schüchtern, leiden still, ziehen sich immer mehr zurück. Sie klagen über körperliche Leiden, wie zum Beispiel Kopfschmerzen, Bauchweh, Übelkeit etc. Durch die körperlichen Leiden versuchen sie der Situation zu entkommen. Sie empfinden keine Freude in ihrer Einrichtung, in der sie gemobbt werden, und wirken lustlos und teilnahmslos.
Wie können Eltern achtsamer mit dem Thema Mobbing umgehen?
Resiliente Eltern geben diese Resilienz an ihre Kinder weiter. Resilienz ist das Immunsystem unserer Seele und schützt uns und unsere Kinder vor Mobbing.
Kinder finden innere Stärke durch Selbstvertrauen, Selbstbewusstsein, Selbstwirksamkeit, respektvollen und wertschätzenden Umgang innerhalb der Familie sowie durch die Sicherheit und vor allem die Liebe. Sie wachsen an den Herausforderungen des Lebens.
Kinder, die von Herzen geliebt werden und so sein dürfen, wie sie sind, wissen, dass alle Gefühle richtig und wichtig sind und, dass nur die Handlungen auf ihre Gefühle entscheidend sind. Sie benötigen keine Aufmerksamkeit, die ihnen das Gefühl von Macht über andere gibt.
Was können wir als Eltern tun, wenn wir wissen oder vermuten, dass unser Kind gemobbt wird?
Wichtig ist herauszufinden, ob sich das Kind wirklich gemobbt fühlt, da Mobbing ein individuell gefühlter Prozess ist. Was beobachtest Du bei Deinem Kind? Verhält es sich über einen längeren Zeitraum anders als sonst? Dann solltet ihr versuchen, vorsichtig eine Verbindung zum Kind aufzubauen. Wenn möglich, lasst euch Situationen, in denen euer Kind gemobbt wurde, erklären und entwickelt mit eurem Kind eine Strategie, wie es aus dem Konflikt herauskommen kann.
Hier können Selbstbehauptungstrainings helfen, die das Selbstvertrauen des Kindes aufbauen und ihm Möglichkeiten zur Konfliktbewältigung mit an die Hand geben. Am Wichtigsten ist es, dass das Kind die Sicherheit der Eltern spürt und sie selbst keine Angst haben.
Welche 3 wichtigsten Impulse kannst Du Eltern aus Deiner Erfahrung zum Schluss noch mitgeben?
1. Aufmerksam bleiben
Nimmt euer Kind ernst und gibt ihm das Gefühl: „Ich nehme Dich ernst und Du bist mir wichtig. Ich schaue Dich an und höre Dir zu." So trägst Du von Anfang an zu einer guten Verbindung zu Deinem Kind bei.
2. Rollentausch
Wenn Kinder beleidigt werden, sagen Eltern oft: „Stell Dich nicht so an, war bestimmt nicht so schlimm!" In meinen Kursen konfrontiere ich Eltern mit diesen Situationen und sie erfahren am eigenen Leib, wie es sich anfühlt, beleidigt zu werden. Für die Eltern ist dies eine sehr unangenehme Erfahrung. Sie fangen an, die Situationen der Kinder zu reflektieren und nehmen ihre Kinder ernst.
3. Klare Kommunikation und Gefühle mitteilen
Für mich ist dies der wichtigste Punkt, um unsere Kinder vor vielen Gefahren zu schützen. Kinder, die sich nicht richtig mitteilen können, denen Gefühle abgesprochen werden, fühlen sich oft missverstanden. Sie werden nicht ernst genommen. Im schlimmsten Fall können sie sich in einer akuten Gefahrensituation nur unzureichend mitteilen.
Liebe Katja, herzlichen Dank für das sehr wertvolle Interview.